Berger und Stuck gegen Geisterrennen: Zielführend in der Krise?
Das Verbot von Großveranstaltungen trifft auch den Motorsport in Deutschland hart. Eine Ablehnung von Geisterrennen sorgt für Verwunderung in der Szene.
Motorsport-Magazin.com - Vor einer Woche schloss der ITR-Vorsitzende Gerhard Berger die Austragung von Geisterrennen aus. "Unsere Kunden heißen Fans. Wenn die Fans nicht da sind, gibt es keine Rennen", sagte der Österreicher bei Servus TV.
Zustimmung erhielt Berger vom kürzlich zurückgetretenen DMSB-Präsidenten Hans-Joachim Stuck, der in dieser Woche bei Speedweek meinte: "Ich finde es gut, dass Gerhard nicht ohne Fans fahren will. Wir brauchen keine Geisterrennen, das halte ich nicht für sinnvoll. Motorsport ist für Fans gemacht."
Seit Mittwochabend haben diese Aussagen eine neue Qualität gewonnen, denn: Großveranstaltungen sind in Deutschland sowie Belgien bis zum 31. August 2020 verboten. Nach diesem Regierungsbeschluss würde - gepaart mit Bergers Aussagen - quasi feststehen, dass die DTM samt Rahmenprogramm mindestens ihre Saisonrennen eins und drei auf dem Nürnberger Norisring (10.-12. Juli) sowie im belgischen Zolder (07.-09. August) nicht wie geplant austragen kann.
Selbst Söder lässt Lücke für Sport offen
Bergers und Stucks Ablehnung gegenüber sogenannten Geisterrennen stoßen in der deutschen Motorsportszene aktuell auf Verwunderung. Andere Sportarten, allen voran der Fußball, suchen konstruktiv nach Lösungen in der Corona-Krise und arbeiten auf weitere Geisterspiele hin. Sogar Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ließ eine Lücke für den Sport offen.
"Ob Geisterspiele denkbar sind? Ich halte es für denkbar", sagte Söder an diesem Donnerstag. Und auch: "Am Ende ist es so, dass die Relevanz von Fußball möglicherweise nicht allein in der finanziellen Wirkung liegt, sondern auch in der psychologischen. Für viele Menschen ist das auch ein Teil von Freude, auf die sie sich entsprechend vorbereiten können."
Gilt das trotz 'König Fußball' nicht auch für den Motorsport? Müsste in Krisenzeiten, die auch die Automobilbranche schwer treffen, nicht jegliches Szenario erwägt werden, um Rennen unter Einhaltung der behördlichen Gesundheitsauflagen zu realisieren? Eine generelle Ablehnung von Geisterrennen würde viele Türen automatisch verschließen.
Vom Verbot der Großveranstaltungen wäre im deutschen Rennsport bei weitem nicht nur die DTM betroffen. Von der MotoGP am Sachsenring über VLN, ADAC GT Masters und WRX am Nürburgring bis hin zur Superbike-WM in Oschersleben müssten allein bis Ende August 15 große Events mit Motorsportcharakter gestrichen werden.
ITR: Prüfen alle Optionen
Auch wenn Berger und Stuck die Idee von Geisterrennen nicht gefallen mag, muss sie allein aus wirtschaftlicher und perspektivischer Sicht erwägt werden. "Wir prüfen auch im ständigen Austausch mit unseren lokalen Veranstaltungspartnern alle Optionen", sagte ein ITR-Sprecher am Donnerstag zu Motorsport-Magazin.com.
Gleichzeitig teilte das ADAC GT Masters mit: "Wir prüfen in Abstimmung mit unseren Veranstaltern und Behörden, wann und unter welchen Bedingungen Rennen im Spätsommer und Herbst durchführbar sind. Ziel ist es weiterhin in diesem Jahr sieben ADAC GT Masters-Veranstaltungen auszutragen."
Zumindest in dieser Hinsicht herrscht offenbar Einigkeit zwischen ITR und ADAC... Auch die VLN hat angekündigt, mit Hochdruck an einem Konzept für die Realisierung von Rennen auf der Nordschleife zu arbeiten. Fünf Läufe der Breitensportserie sind vom Großveranstaltungs-Verbot betroffen.
Wo liegen die Prioritäten?
Aus den Reihen vieler Teams und Veranstaltern in ganz Deutschland ist zu hören, dass es spätestens ab Juli irgendwie losgehen muss, um die finanziellen Schäden halbwegs in den Griff bekommen zu können. Es ist stark anzuzweifeln, ob sämtliche Vertreter zwei weitere rennlose Monate finanziell überleben würden. Zwar mag es ehrbar klingen, dem Fan an der Strecke eine besondere Rolle zu verleihen - in diesen beispiellosen Zeiten könnte sich dieser Anspruch jedoch als wenig zielführend erweisen.